Wiesbaden ist vielfältig – hier leben Menschen aus mehr als 170 Nationen, die Wiesbadener:innen pflegen verschiedene religiöse Überzeugungen und Weltanschauungen, sie lieben und leben unterschiedlich. 43 Prozent der Wiesbadenerinnen und Wiesbadener sind entweder selbst aus dem Ausland zugewandert oder mindestens ein Elternteil. In der Gruppe der unter 18-Jährigen sind es sogar 62 Prozent.
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit tragen inzwischen nur noch ausländische Arbeitskräfte zum Beschäftigungsanstieg auf dem deutschen Arbeitsmarkt bei. Auch Wiesbadener Unternehmen könnten ihren Arbeits- und Fachkräftebedarf ohne Einwanderung längst nicht mehr decken. Der KfW-Gründungsmonitor hält zudem fest, dass Migrant:innen deutlich gründungsfreundlicher sind als die deutsche Gesamtbevölkerung – auch deswegen, weil sie in ihrem Umfeld andere Rollenmodelle und mehr Selbstständigkeit vorgelebt bekommen.
In der gegenwärtigen integrationspolitischen Debatte spielen diese Chancen und Potenziale kaum eine Rolle. Stattdessen dominiert der Blick auf Defizite und Gefahren und werden Migrant:innen pauschal in Verdacht genommen für die Taten Einzelner. Das ist eine extreme Engführung, die zu falschen Schlüssen führt, Vorurteile verschärft und natürlich etwas mit den betroffenen Menschen macht. Frust und Radikalisierungstendenzen beugen wir am besten vor, indem wir für eine zügige Integration in den Arbeitsmarkt sorgen, Bildungsangebote verbessern und Begegnung und Dialog auf Augenhöhe intensivieren. Ängste und Vorbehalte, Ausgrenzung und Diskriminierung hingegen errichten Mauern in unserer Stadtgesellschaft und verhindern es, konkrete Problemstellungen zu lösen, die zweifellos da sind – etwa, wenn viele Menschen auf einmal aus Kriegs- und Krisengebieten aufgenommen und versorgt werden müssen.
Als Oberbürgermeisterin ist mein Anspruch: mehr Respekt und Wertschätzung für die unterschiedlichen Menschen in unsere Stadt. Mehr Aufeinanderzugehen und Zuhören. Mehr Sichtbarkeit und Wertschätzung der Vielfalt an Perspektiven, Sprachen, Weltanschauungen und Religionen. Und mehr gemeinsames Arbeit an den sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen in einer diversen Stadtgesellschaft.
Wofür ich mich einsetze:
- Mehr Anerkennung, Sichtbarkeit und Ressourcen für migrantische Vereine und Stärkung der Selbstorganisation von Migrant:innen
- migrantische Geschichte in der Stadtidentität verankern – etwa durch Straßenbenennungen, das vom Ausländerbeirat ins Spiel gebrachte Gastarbeiter-Denkmal und die Auseinandersetzung mit Wiesbadener Einwanderungsgeschichte im Stadtmuseum
- Förderung einer vielfältigen Belegschaft in der Stadtverwaltung
- Interreligiösen Dialog ausbauen
- Das Amt für Zuwanderung und Integration aus dem Europaviertel in die Mitte der Stadt bringen (etwa in einen Leerstand in der Innenstadt) und es weiterentwickeln zu einem – mit einem offenen Forum verbundenen – Amt für Diversity, Antidiskriminierung und gesellschaftlichen Zusammenhalt (nach dem Vorbild von Frankfurt)
- Schaffung eines Welcome Center für Menschen, die aus dem Ausland zu uns kommen: zentrale Anlaufstelle für Unterstützung und hilfreiche Kontakte zu Fragen rund ums Ankommen, Aufenthalt, Deutsch lernen, Arbeit, Beruf und Ausbildung, Familie, Gesundheit